Die Gesellschaft

Nachrichten der Görres-Gesellschaft

01.09.24

Tagung zur Sozialen Marktwirtschaft im Kloster Banz: "Wirtschaftsordnung für den Menschen"

Prof. Dr. Nils Goldschmidt

Zugeschaltet aus Berlin: Prof. Dr. Stefan Kolev

Tagungsleiter Vittorio Prina

Der Sozialen Marktwirtschaft und ihrer Rolle in der Bundesrepublik Deutschland widmete sich am Wochenende vom 30. August bis zum 1. September die zweite Tagung, die die Görres-Gesellschaft im Bildungszentrum Kloster Banz in Zusammenarbeit zwischen der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) durchführte. Bereits im Vorjahr fand eine solche Gemeinschaftstagung, damals zum Thema „Kriegschaos und Friedensordnungen“ (Bericht hier), statt.

Als wissenschaftlichen Leiter konnten die Verantwortlichen den Siegener Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Nils Goldschmidt gewinnen, der Vorstandsvorsitzender der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft (ASM) ist, die ein weiterer Kooperationspartner dieser Tagung war. Goldschmidt ist ferner Sektionsleiter der Sektion für Wirtschafts- und Sozialwissenschaft in der Görres-Gesellschaft und Mitglied des Vorstands.

In vier inhaltlichen Blöcken stellte Goldschmidt die Geschichte der Sozialen Marktwirtschaft, ihre Protagonisten (Alfred Müller-Armack, Wilhelm Röpke, Ludwig Erhard und andere), ihre wichtigsten Ideen sowie aktuelle Fragen der Gestaltung unserer Wirtschaftsordnung vor. Zentral war dabei der Gedanke, dass die Soziale Markwirtschaft eine „Wirtschaftsordnung für den Menschen“ sei und primär seinem Wohlergehen diene. Wichtig war die Einordnung der „Freiburger Schule“ und ihrer wichtigen Persönlichkeiten wie Walter Eucken in die Geschichte der Sozialen Marktwirtschaft und die Ausführungen Goldschmidts, der darstellte, dass Vertreter der Freiburger Schule in entschiedener Gegnerschaft zum Nationalsozialismus standen.

Beeindruckt zeigten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie Goldschmidt seine Ausführungen in die nationalen und internationalen Entwicklungen seit der Nachkriegszeit einbettete. Wichtig waren seine Schlussbemerkungen, in denen er seine Sorge um die soziale Kohäsion ausdrückte und dabei Bezug nahm auf den von Alfred Müller-Armack geprägten Begriff der „Sozialen Irenik“. Als zweiten wichtigen Begriff führte Goldschmidt das Denken in „Kipp-Momenten“ ein, dessen zentrale Gedankengänge er auch in seinem Buch „Gekippt. Was wir tun können, wenn Systeme außer Kontrolle geraten“ darlegt (zum Buch hier, ein Webinar zu dem Thema führte die Görres-Gesellschaft im Januar 2022 durch, Bericht hier). In seinem Abschlussplädoyer forderte Goldschmidt eine „Politik der Behutsamkeit: „Auch radikale Probleme brauchen nur selten radikale Lösungen, sondern kleine, behutsame Schritte und eine achtsame Stärkung des Umfelds“, so Goldschmidt.

Einen weiteren und höchst aktuellen Höhepunkt erlebte die Tagung am Sonntagmorgen, dem 1. September 2024. Aus Berlin zugeschaltet war der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Stefan Kolev, Wissenschaftlicher Leiter des Ludwig-Erhard-Forums für Wirtschaft und Gesellschaft in Berlin. Seine Ausführungen zur wirtschaftlichen Entwicklung in Ostdeutschland und Osteuropa gewannen vor dem Hintergrund der Landtagwahlen in Sachsen und Thüringen, die an diesem Tage stattfanden und mit einem historischen Ergebnis - den Wahlerfolgen der AfD und des BSW - endeten, besondere Brisanz. Kolev zeichnete die Entwicklung der ostdeutschen Wirtschaft und Gesellschaft seit den Wendejahren 1989/90 nach. In den vergangenen zehn Jahren seien zwei Ereignisse entscheidend gewesen, die viele Bürgerinnen und Bürger von der Politik der Mitte entfremdet hätten: die Migrationsbewegung seit dem Jahr 2015 und der Ausbruch der Corona-Pandemie 2020, in deren Folge sich eine alternative mediale Öffentlichkeit (Nutzung von You-Tube Kanälen zur Nachrichtenbeschaffung, mediale Blasen u.ä.) entwickelt hätte, die einen Keil in die Gesellschaft getrieben habe.

Kolev warnte davor, eine möglicherweise nur noch kurze Zeitspanne ungenutzt verstreichen zu lassen, die Deutschland und der gesamten westlichen Welt gegeben sei, um eine weitere Spaltung der Gesellschaft zu verhindern und den Riss wieder zu kitten. „Es geht insgesamt um die Frage des Westens, wirtschaftlich, aber auch ideell und kulturell“, so sein Schlussappell.

Die 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, darunter Mitglieder des Jungen Forums der Görres-Gesellschaft, zeigten sich begeistert von der Tagung und der Begegnung mit Nils Goldschmidt und Stefan Kolev. Großer Dank an beide Wissenschaftler, dass sie sich für diese Veranstaltung zur Verfügung gestellt haben.

Das detaillierte Programm der Tagung finden Sie hier.

Der Dank der Görres-Gesellschaft gilt der Hanns-Seidel-Stiftung, Herrn Vittorio Prina und Dr. Michael Hahn für die Vorbereitung und Durchführung der Tagung. Gerne greift die Görres-Gesellschaft den Gedanken auf, auch im kommenden Jahr wieder eine gemeinsame Tagung im Kloster Banz durchzuführen.

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