Zu einem für die Katholische Kirche in Deutschland hoch aktuellen Thema trafen sich am Dienstag, dem 22. Februar 2022 virtuell mehr als 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Rahmen des 9. Görres-Webinars. Unter dem zugespitzten Titel "Der Synodale Weg: Holz- oder Heilsweg für die Kirche?" ging es um den Reform- und Dialogprozess in der Katholischen Kirche.
In seiner Einführung stellte zunächst Dr. Frank Ronge, Leiter des Büros des Synodalen Weges, das gemeinsam von der Deutschen Bischofskonferenz und vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) getragen wird, die Gründe für die Initiierung des Synodalen Weges vor. Ausschlaggebend dafür sei die Veröffentlichung der MHG-Studie zum Thema Sexueller Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche in Deutschland gewesen, die im Jahr 2018 veröffentlicht wurde. Im Jahr 2019 sei in Lingen der „Startschuss“ für einen Prozess erfolgt, in dem die Bischofskonferenz erkannte, dass sie alleine die Probleme der Kirchen nicht lösen könne, weshalb ein „großer Prozess“ nötig sei, der die Mitarbeit der gesamten Kirche benötige. Es zeichneten sich vier Kernthemen dabei ab, die Machtfrage, die Frage der priesterlichen Lebensform, die Sexualmoral und die Frage nach der Rolle der Frau in der Kirche. Diese wurden in den nachfolgenden Jahren in Synodalforen diskutiert.
Im Anschluss stellte Prof. Dr. Gregor Maria Hoff, Fundamentaltheologe von der Universität Salzburg, seine Überlegungen zur performativen Macht des synodalen Weges vor. Die Bischofskonferenz sei mit dem Prozess „ins Risiko gegangen, weil sie gehen mussten.“ Der Prozess sei so angelegt, dass er konkrete Ergebnisse bringen soll. Die Überlegungen zur Macht- und Gewaltenteilung seien damit keine bloßen Forderungen, sondern würden bereits praktiziert. Neue Formate kirchlicher Macht würden entwickelt und von den Bischöfen zukünftig umgesetzt, so Hoff. Erste konkrete Beschlüsse habe es in der Frage der Bischofsbestellung gegeben. Grundsätzlich würde die Kirche durch den Reformprozess erst wieder in die Lage kommen, die Bedeutung des Evangeliums in die Welt zu tragen.
Konkrete Einblicke in die Debatten des synodalen Weges gab schließlich Frau Prof.‘in Dr. Claudia Nothelle, Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), die ihre Betrachtungen unter das Thema „Zweifeln, Staunen, Hoffen“ stellte. Beispielhaft für den Aufbruchcharakter des synodalen Weges sei für sie die Initiative „#Outinchurch“ gewesen, in der sich 125 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der katholischen Kirche als queer geoutet haben, aber – und das sei das Entscheidende – Mitglied in der Kirche bleiben und weiter in ihr arbeiten wollen. Prof. Nothelle berichtete auch von grundsätzlichen Debatten im synodalen Weg, von widerstreitenden Meinungen und von der Furcht vor einem Scheitern. Am Beispiel der Frage, ob Gläubige bei der Bestellung eines Diözesanbischofs einbezogen werden sollten, zeige sich, dass der Reformbedarf auch auf Seiten der Bischöfe gesehen würden – auch hier seien 80 Prozent der Bischöfe für diese Form der Gewaltenteilung.
In der abschließenden Diskussion wurden einige Facetten des synodale Weges gleichwohl hinterfragt. So zeigte sich eine Teilnehmerin skeptisch im Hinblick darauf, ob Fragen der katholischen Kirche in Deutschland zur Rolle der Frau oder der Bedeutung des Zölibats in der Weltkirche und besonders in Rom auf Akzeptanz stießen. Gleichfalls kritisch wurde angemerkt, ob die Beteiligung von Gläubigen bei der Bischofbestellung überhaupt kirchenrechtlich legitimiert sei. Ein Teilnehmer fragte besorgt, welche Konsequenzen ein „Scheitern des synodalen Weges“ denn hätte, die er in einer mangelnden Akzeptanz der Forderungen in der Weltkirche sah.
Die Görres-Gesellschaft hofft, mit diesem Webinar ihrem selbst formulierten Anspruch, offene Plattform für Debatten an der Schnittstelle von Wissenschaft, Gesellschaft und Religion zu sein, gerecht geworden zu sein. Dabei sollen auch und gerade widerstreitende Meinungen zu Wort kommen.